Was spricht gegen eine Ausgliederung – Die Argumentation von „echt VfL“

Die Diskussion über die Ausgliederung einer Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft ist keine neue in Deutschland. Sie wurde und wird auch an vielen anderen traditionellen Fußballstandorten geführt. Häufig wird seitens der Befürworter der Schritt der Ausgliederung als „alternativlos“ bezeichnet, dann werden die Argumente für eine Ausgliederung genannt, während die sicherlich vorhandenen Gegenargumente in das Reich der Fußballromantik verwiesen werden.

Wir wollen allen VfL-Fans und Mitgliedern an dieser Stelle die Möglichkeit geben, sich mit unserer Argumentation gegen eine Ausgliederung vertraut zu machen. Ziel dabei ist es aufzuzeigen, dass es sehr wohl plausible emotionale Gründe gibt, den Schritt abzulehnen, aber dass es auch handfeste finanzielle Gründe gibt, die jetzige Rechtsform als e.V. zu wahren und dass sich überdies noch weitere Gegenargumente ergeben oder erhärten, wenn man den Blick über den Tellerrand in die Realität des modernen Fußballs schweifen lässt.

Zunächst wollen wir unsere finanzielle Argumentation aufzeigen, da die finanzielle Situation des Vereins in Relation zur Konkurrenz der Ausgangspunkt ist, weswegen der Vorstand überhaupt eine Ausgliederung ins Auge fasst ( siehe Pläne des Vereins ).

Die finanzielle Argumentation von „echt VfL“

Betrachtet man die in „Pläne des Vereins“ aufgezeigte Wettbewerbssituation, erscheinen einem die Überlegungen unseres Vorstands zunächst plausibel. Die Verteilung der Fernsehgelder ändert sich zu den eigenen Ungunsten, darüber hinaus bestehen ohnehin schon jahrelang finanzielle Abstände zu Klubs mit potenteren Strukturen aufgrund von deren höherem Zuschauer- und Mitgliederaufkommen, Unterschieden in den Infrastrukturen, strategischen Partnerschaften, höherem Sponsorenaufkommen, Anteilsbeteiligungen und anderen Faktoren. Darauf will man natürlich in irgendeiner Art und Weise reagieren, um auch gegenüber den Top 6 der Liga in jeder Saison konkurrenzfähig zu sein.

Nimmt man nun allerdings das von Wilken Engelbracht prognostizierte mögliche Ergebnis eines Vergleichswertverfahrens beim VfL als realistisches Szenario an, stellt man fest, dass es mit einem Anteilsverkauf und dem geplanten Umgang mit den Geldern (Verteilung über 5 Jahre)  nicht mal möglich wäre, die sich durch die neue Verteilung der TV Gelder ergebenden Lücken zu Absteigern der ersten Liga bzw. Topteams der zweiten Liga zu schließen. Man würde finanziell lediglich etwas näher an diese Konkurrenten kommen, wäre aber gegenüber vielen Vereinen in anderen Feldern weiterhin deutlich unterlegen (Beispiele dafür diese Saison wären Teams wie Hannover und Stuttgart). Sicherlich kann man argumentieren, dass man jeden Euro benötigt. Wenn man jedoch die Abstände ohnehin nicht schließen kann, ein sportliches Vorankommen somit erst recht nicht gewährleistet ist, muss man sich mehr als ohnehin schon fragen, ob ein  derart drastischer Schritt zu diesem Zeitpunkt wirklich zu rechtfertigen ist. Man sollte jeden kommerziellen Schritt danach bewerten was er einem a) innerhalb des Wettbewerbs bringt und b) wie sich der Schritt auf das Wesen des Vereins auswirkt.

In diesem Fall stellen wir fest, dass die Wirkung einer Anteilsveräußerung an einen Investor lediglich die wäre, dass sich die eigene Wettbewerbssituation ein wenig, keineswegs dramatisch verbessern würde, wenn man sich den Aufstieg als Ziel setzt. Demgegenüber stünde jedoch eine Zäsur in der Vereinsgeschichte, dergestalt, dass der VfL Bochum sein Wesen grundsätzlich verändern würde, was wir an anderer Stelle noch genauer erläutern werden. Somit ist aus unserer Sicht der geplante Schritt abzulehnen, da der Verkauf von Anteilen zu diesem Zeitpunkt bei dem zu erwartenden Umfang ein Tropfen auf dem heißen Stein wäre und ebenso wenig notwendig ist, da der Verein auch wiederum nicht in schweren finanziellen Nöten steckt, was häufig eine Ausgliederung samt Einstieg eines Investors erfordert.

→ Die prognostizierten Werte der Anteile scheinen nicht hoch genug, um nennenswert die Lücken zu den anderen Konkurrenten zu schließen. Das Wesen des Vereins würde sich jedoch stark verändern und somit ist die Maßnahme abzulehnen, da sie eben auch nicht zwingend notwendig ist aufgrund der vergleichsweise entspannten finanziellen Situation.

Neben dem fehlenden gesicherten „Punch“ innerhalb des Wettbewerbs sehen wir bei dieser Maßnahme auch branchenübliche Probleme auf den VfL zukommen. Mit Geld aus dem Verkauf von Anteilen zu arbeiten stellt immer eine Wette dar, wenn man sich in etwa in unserer Situation befindet. Durch die neuen finanziellen Möglichkeiten versucht man Voraussetzungen zu schaffen, die es wahrscheinlicher machen, zukünftig mehr Einnahmen zu generieren (Sponsorengelder, TV-Gelder, Eintrittsgelder etc.). Im Profifußball heißt das nichts anderes, als dass man „in Beine“ investiert und somit die  Lizenzspielerkosten erhöht. Dieses berühmte „ins Risiko“ gehen hat man schon bei vielen Vereinen (BVB, HSV, Aachen, Bielefeld, Duisburg etc.) auf verschiedene Arten beobachten können. Gelingt dann mit dem frischen Kapital keine dramatische sportliche Verbesserung, hat man sich Kosten hochgezogen, welche durch die eigenen Strukturen nicht mehr bedient werden können. Wenn der VfL also jetzt fünf Millionen jährlich mehr in den Kader investiert, müssten in den fünf Jahren Strukturen hier entstehen, die es in der Folge ermöglichen, die neuen Kosten zu bedienen. Wäre das dann nicht der Fall, müsste man den nächsten Schritt gehen, also weitere Anteile (falls noch vorhanden) verkaufen, oder – anders als momentan vom Vorstand kommuniziert –  Anteile mit Stimmrecht ausgeben  (dann in der Not und unter Druck) oder aber sich in einem neuen eventuell fragwürdigen kommerziellen Feld (z.B. Verkauf des Vereinsnamens, -logos oder ähnlichem) betätigen. Besonders die Ausgabe von Anteilen mit Stimmrecht sollte man kritisch im Auge behalten. Im Zuge der Vorstellung der Ausgliederungspläne wird versucht werden, der Skepsis vor einem Investor mit dem Argument zu begegnen, dass dieser kein Mitspracherecht in Form von Stimmrechten erhalten wird . Das mag anfangs auch so sein. Doch was passiert, wenn die ersten Millionen verpufft sind, die Mannschaft nach wie vor um Platz zehn dümpelt und der Investor weder sein Geld abschreiben, noch das Projekt aufgeben möchte? Er ist gezwungen, mehr hineinzustecken. Dieses Mal wohl kaum ohne eine Gegenleistung in Form von Mitbestimmung.

→ Mit dem Kapital aus Anteilsverkäufen an einen Investor zu arbeiten stellt eine Wette dar. Die Strukturen, die man hochzieht, müssen irgendwann bedient werden. Dies kann bei Nichterfolg Druck ausüben, die nächsten Schritte gehen zu müssen in Richtung Ausverkauf des Vereins.

Ein weiterer branchenüblicher Effekt, der mit der hohen Einmalzahlung verbunden wäre und der die zunächst immens wirkende Summe in ihrem Wert schmälern würde ist der, dass andere Marktteilnehmer die Vorgänge beim VfL natürlich registrieren. Dies würde sich negativ auf Transferverhandlungen oder Vertragshandlungen auswirken, da andere Verhandlungspartner schnell auf die Idee kämen, dass man beim VfL gut etwas „abgreifen“ kann. Die Verhandlungsposition würde sich also in einigen Situationen verschlechtern, ein Teil der Summe aus den Anteilsverkäufen würde versickern.

→ Andere Marktteilnehmer registrieren die Vorgänge und berücksichtigen dies bei Verhandlungen mit dem VfL, was einen Teil der Summe aus dem Anteilsverkauf versickern lassen würde.

Es dürfte bereits jetzt deutlich geworden sein, dass es Argumente gibt, als Anhänger des VfL Bochum nicht direkt in Euphorie zu verfallen, auch wenn in der Vereinshistorie in der Höhe nie da gewesene finanzielle Mittel in Aussicht stehen. Noch weniger euphorisch fällt unsere Einschätzung aus, wenn wir der Sache auf den Grund gehen, warum wir auch losgelöst von dem neuen TV-Geldverteilungsschlüssel gezwungen scheinen, den aktuell diskutierten Schritt der Ausgliederung zu gehen.

In den letzten 25 Jahren hat der deutsche Profifußball eine ungesunde Entwicklung genommen. Während die Klubs selbst schon versuchen, sich exzessiv und maßlos kommerziell zu betätigen, hat der Ligaverband daran gearbeitet, die Vermarktung der Bundesligen in immer neue Sphären zu befördern. Man ist in eine Art Wettstreit mit anderen Ligen getreten und eifert z.B. der kommerziell erfolgreichen Premier League nach. Durch die finanziell durchaus erfolgreiche Vermarktung der Liga werden immer mehr Gelder generiert, die jedoch nicht im Sinne des Wettbewerbs verteilt werden. Während die Wettbewerbssituation im Inland für die Branchengrößen immer komfortabler geworden ist, haben diese ihre kommerziellen Betätigungsfelder trotzdem im Sinne der internationalen Konkurrenzfähigkeit enorm erweitert (z.B. Auslandsvermarktung, strategische Partnerschaften über Anteile, Börsengang etc.) und sind damit nochmals weiter enteilt. Dies führt natürlich dazu, dass andere Bundesligisten nachziehen wollen und es wiederum einen Pool an Vereinen gibt, die bereit wären, jeden Schritt zu gehen, um nur in die Nähe der „Fleischtöpfe“ zu kommen. Die Folge ist, dass viele, um den Branchengrößen nachzujagen, versuchen, deren Methoden zu kopieren. Wenn die Großen Namensrechte veräußern, zieht man nach. Verkaufen sie Anteile, tut man dies ebenso und so weiter. Dabei sind die jeweils kleineren, wenn sie einen bestimmten kommerziellen Schritt kopieren natürlich den größeren Vereinen unterlegen, die Wettbewerbssituation wird nochmals ungleicher und der Platz eines jeden in der Nahrungskette wird weiter gefestigt.

→ Es ist ein finanzielles Wettrüsten im Fußball entstanden, bei dem jeder dem nächst größeren hinterherhechelt. Es fließt immer mehr Geld, es entstehen immer mehr kommerzielle Felder, der Wettbewerb zementiert sich dadurch oder gerade deswegen.

Dieses eben erklärte „Wettrüsten“ und „Nachziehen“ mit dem nächst größeren ist der Grund, warum auch der Vorstand des VfL sich gezwungen sieht, den Verein für Investoren zu öffnen und  von Alternativlosigkeit spricht. Jedoch verleiten uns diese Vorgänge eher dazu, es nicht mehr länger als besonders klug anzusehen, jedes Verhalten der großen Vereine zu imitieren und damit, wie viele andere Vereine, die eigene Wettbewerbsposition letztlich zu zementieren anstatt zu verbessern. Und dies erscheint uns noch unsinniger, wenn man als Preis dafür eventuell den Verein verramscht. Im Sinne der Verbesserung unserer Wettbewerbssituation denken wir, dass es besser ist, nach Nischen für eigene Entfaltungsmöglichkeiten als Verein Ausschau zu halten, als uns nach und nach die kommerziellen Strukturen von „Oben“ aufzwingen zu lassen, die lediglich Abstände wachsen und den Wettbewerb gefrieren lassen. Es hilft bei diesem Argument, sich vor Augen zu führen, dass wir in der Vergangenheit schon angeblich alternativlose Schritte gegangen sind (Stadionvermarktung in 2006), welche aber keineswegs zu einer sportlichen Verbesserung oder zumindest Stabilisierung geführt haben.

→ Wenn man seine Marktposition verbessern möchte, hilft es nicht, den anderen nur „nachzujagen“. Man muss sich mit starken Kontrasten zu den anderen auf dem Markt platzieren und sollte den Weg, den fast (!) alle anderen gehen, nicht zwingend als alternativlos betrachten.

Wenn wir das Hinterherhecheln nicht jetzt an diesem ganz bestimmten Punkt beenden, dann ist es absolute Gewissheit, dass wir entweder durch die eigenen Entwicklungen, aber noch viel eher durch die  Entwicklungen auf dem Markt (immer stärkere Kommerzialisierung mit o.g. Folgen) und der Implementierung neuer Möglichkeiten (komplette Öffnung der Bundesliga für Investoren durch Fall der 50+1-Regel z.B.) bald an dem Punkt stehen, dass wir wieder finanziell reagieren müssen. Wenn wir jetzt die Ausgliederung als Mitgliederversammlung beschließen, ist quasi gewährleistet, wie dieser nächste Schritt aussehen müsste bzw. würde. Man müsste zwingend irgendwann an die Stimmanteile des Vereins gehen, was bei Abschaffung der 50+1 Regel irgendwann auch bedeuten kann, den Verein  aus der Hand zu geben. Wenn man mit etwas Weitsicht erkennt, was kommen wird, dann kann man in unseren Augen den Prozess auch jetzt schon beenden und sich nach innovativen Möglichkeiten umschauen oder bestehende Möglichkeiten besser nutzen.

→ Während die neuen Kostenstrukturen schon dahingehend bedrohlich sein können, dass man wegen ihnen irgendwann den nächsten Schritt gehen muss, führt das Hinterherhecheln nach den Großen aber auch bestimmte Branchenentwicklungen (50+1 fällt) definitiv dazu, dass man irgendwann frisches Geld benötigen wird und in diesem Fall irgendwann Stimmrechte veräußern muss.

Es ist für uns jedenfalls schwer nachzuvollziehen, diesen Schritt gehen zu wollen und unangenehmen Entwicklungen den Weg zu ebnen, wenn wir in fast allen Betätigungsfeldern, die den Verein gesund wachsen lassen könnten, noch Luft nach oben haben.

So ist es z.B. in der aktuellen Situation wesentlich gesünder zu versuchen, seine bereits bestehenden Potenziale zu nutzen und regelmäßig einen Boost zu erfahren, indem man weiterhin sportlich so gut arbeitet wie zuletzt und von bestimmten Entwicklungen des Fußballs profitiert. Indem man sich z.B. zu Nutze macht, dass Transfersummen mittlerweile durch die Decke gehen, kann man auch einen großen Sprung machen, ohne jedoch so drastische Schritte wie eine Ausgliederung anvisieren zu müssen. In Anbetracht der Ablösesummen, die der VfL in den letzten Jahren schon vor Eintritt der neuen nationalen und internationalen TV-Verträge bezogen hat, erscheinen uns die Summen, die beim Anteilsverkauf diskutiert werden doch eher lachhaft vor dem Hintergrund, welche Entwicklungen der Zukunft damit angestoßen werden.

→ Eine Betätigung auf dem Kapitalmarkt, welche langfristig die Partizipationsmöglichkeiten der Mitglieder gefährden könnte, ist unbedingt abzulehnen, wenn man andere Potenziale gesunder Natur noch nicht vollends ausgeschöpft hat und es die Möglichkeit gibt, vergleichbar hohe Einmaleinnahmen zu generieren, indem man sich lediglich in dem traditionellen Feld „Förderung von Fußballern“ betätigt.

Wenn wir nun schon darauf hinweisen, dass der VfL sich neben der Generierung von Transfereinnahmen auch in den anderen bereits bestehenden Betätigungsfeldern verbessern muss, dann ist dies natürlich eng damit verknüpft, dass er in einem verträglichen Maße als Werbeplattform, aber vor allem auch als Fußballverein für Fußballfans attraktiver werden muss. Dieser Fakt bringt uns zu dem letzten Argument finanzieller Natur. Um seine Attraktivität zu steigern, muss der VfL eine erfolgreiche Markenbildung durchlaufen, damit diese in der Folge auch zu Einnahmen führt. Den Prozess der Markenbildung sehen wir in Gefahr, wenn man durch den Schritt der Ausgliederung und dem Einstieg eines Investors die Marke „VfL Bochum“ in ihrer Authentizität gefährdet.

Gar nicht zu beziffern wäre nämlich der Imageverlust, welcher dem Verein durch die für den Anteilsverkauf nötige Ausgliederung der Marke VfL Bochum als ehrlichem, kleinem, von seiner Jugendarbeit lebendem, familiärem Verein, der stets Underdog ist, zugefügt werden würde. Dass darunter die Vermarktung des Vereins in verschiedenen Bereichen leiden könnte, steht für uns außer Frage, wenn wir uns vor Augen führen, dass der VfL in den nächsten Jahren gerade diese Nische des authentischen Ruhrpottklubs besetzen könnte. Durch Fanszene und Mitglieder würde sich nach einem Investoreinstieg bzw. schon nach der Ausgliederung ein Riss ziehen und es käme wohl zu Kündigungen von Dauerkarten und Mitgliedschaften, was den Verein ebenfalls in einem schlechten Licht erscheinen lassen würde und einer Markenbildung abträglich wäre, bei gleichzeitigen direkten negativen finanziellen Effekten. Der VfL könnte sich nicht mehr als authentischer Verein präsentieren und wäre somit aufgrund seiner Austauschbarkeit auch für neue Fans nicht sonderlich interessant, da es erfolgreiche „Firmen“, die nebenher kicken, in unserer Nähe zuhauf gibt. Unternehmen sähen den VfL nicht als coole Marke wie das „Union Berlin des Reviers“, der VfL könnte sich im Werben um die Gunst der Öffentlichkeit und Sponsoren nicht mehr authentisch den anderen Kapitalgesellschaften entgegen stellen.

Die Maßnahme, sich neue Möglichkeiten durch das Geld eines Investors zu verschaffen ist jedenfalls in ihrer Sinnhaftigkeit zu hinterfragen, wenn man sich dadurch andere langfristige und konstante Einnahmepotenziale zerstört oder diese angreift.

→ Wenn eine Ausgliederung samt des Einstiegs eines Investors die Marke VfL Bochum beschädigt und damit eben auch zukünftig Marketingpotenziale gefährdet, dann ist dies zu berücksichtigen, wenn man den Sinn des Verkaufs von Anteilen beurteilen möchte.

Und somit drängt sich immer mehr die Frage auf, ob diese prognostizierten 25 Millionen, verteilt auf mehrere Saisons, unter Berücksichtigung branchenüblicher Effekte und Bedingungen, diesen eventuellen Schaden bei Verkauf des Tafelsilbers des VfL Bochum wirklich aufwiegen würden und ob sich unsere Wettbewerbssituation tatsächlich langfristig verbessern würde, oder ob man sich nicht eher der letzten möglichen Nische beraubt und sich somit einen schweren finanziellen Nachteil schafft, während man sich ohnehin schon einer riskanten finanziellen Wette hingibt, die bei negativem Ausgang die Zukunft und Identität des VfL Bochum und die zukünftige Partizipation der Mitglieder gefährdet.

Die emotionale Argumentation von „echt VfL“

Für viele Mitglieder und/oder Fans spielen neben den genannten finanziellen Aspekten aber noch ganz andere, emotionale Gesichtspunkte, eine Rolle. Schließlich haben wir uns den VfL Bochum nicht zum Hobby oder gar zum Lebensinhalt gemacht, weil wir ein gut wirtschaftendes Unternehmen auf seinem Weg begleiten wollen. Dann hätten wir auch Fan von Coca-Cola oder McDonalds werden können. Faktisch wäre man aber Anhänger eines Unternehmens und nicht mehr eines Fußballvereins, sollten sich die Pläne des Vorstandes verwirklichen lassen. Dies ist für uns relevant, da in einem e.V. ja ein ideeller Zweck in der Satzung verankert ist, der u.a. dafür verantwortlich ist, dass wir uns mit dem VfL Bochum identifizieren können. Seine Rolle als Verein, der durch den Fußballsport Menschen verbindet und eine Symbiose mit der Stadt eingeht, sprich dem Gemeinwohl dient, ist die Erscheinung, die dem VfL seit je her gut zu Gesicht gestanden hat und mit unser Engagement als Fans und Mitglieder begründet. Wenn der grundsätzliche Sinn, der seit über 100 Jahren besteht, ersetzt würde durch die kühle Wirtschaftslogik eines Unternehmens, wäre das definitiv eine Wesensveränderung unseres Vereins in einer Art und Weise, die wir nicht mittragen wollen. Vorboten dieser Entwicklung waren schon das Einstampfen der Damenmannschaft und der U23. Mit diesem Schritt würde sich noch weiter vom ursprünglichen ideellen Zweck entfernt und das auch mit Rechtsform und Satzung dokumentiert. Wir lehnen eine Existenz des VfL Bochum als reines Wirtschaftsunternehmen, als Spekulationsobjekt für Investoren und auch als reine Werbeplattform für Unternehmen entschieden ab.

→ Durch eine Ausgliederung und einem in der Folge damit verbundenen Einstieg eines Investors ändert sich auch offiziell der Sinn und Zweck des Vereins und wird durch Wirtschaftslogik ersetzt. Es würde mit einer über 100-jährigen Tradition gebrochen und der VfL verkäme zu einem Spekulationsobjekt und eventuell zu einer Werbepräsenz.

Genauso schwer wie die Status- und Wesensveränderung des Vereins würde für uns jedoch die Aussicht auf einen Bedeutungsverlust der eigenen Mitgliedschaft und nach und nach schwindende Partizipationsmöglichkeiten wiegen.

Nach einer eventuellen Ausgliederung würde man zwar Mitglied im e.V. bleiben können, zu diesem würde die Profiabteilung aber nicht mehr gehören. Es wäre vielmehr so, als würde man bei den heutigen Strukturen einen weiteren Verein um den Verein herum gründen und könnte nur in diesem Mitglied werden. Der ideelle Wert ginge durch diesen Schritt verloren. Sich in einem von Mitgliedern kontrollierten Verein zu betätigen und zu engagieren, stellt für uns in der eigenen Lebensführung mehr dar, als lediglich Kunde eines Unternehmens zu sein, auf das man keinen oder kaum einen Einfluss hat. Zwar werden einem in der geplanten Rechtsform Möglichkeiten der Partizipation gewährt, jedoch sehen wir diese einerseits dadurch bedroht, dass woanders trotz der 50+1-Regel Investoren schon die Musik bestimmen (1860), andererseits auch dadurch, dass mit diesem Schritt das Ende der Fahnenstange gewiss nicht erreicht wäre, vor allem mit Blick darauf, dass Experten nicht müde werden zu erwähnen, dass 50+1 fallen wird.

→ Der Schritt würde den eigenen Status von aktivem Mitglied in Richtung Konsument verschieben und eröffnet langfristig die Perspektive, dass die Partizipationsmöglichkeiten der Mitglieder komplett verschwinden.

Ferner wäre der Schritt endgültig, der VfL würde nie wieder in seiner Gesamtheit von den Mitgliedern geführt werden, auch wenn man jetzt noch mit der neuen Rechtsform beschwichtigt werden wird, die einen überbordenden Einfluss von Anteilseignern verhindern soll. Man hätte eine stete Angst vor „dem nächsten Schritt“ und müsste sich Sorgen machen, die einem in einem normalen Verein niemals in den Sinn kämen, da bei unserem e.V. die Mitgliederversammlung als Garant für Stabilität und Kontinuität steht und ihre Entscheidungen mit Augenmaß und Liebe zum VfL und nicht mit Rendite- oder Marketingabsichten trifft.

→ Ist die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet, gibt es kein Zurück mehr und ab diesem Zeitpunkt würde man in Angst vor üblen Investoren, herzlosen Spekulanten und weiteren, den Verein verändernden Schritten, den Verein begleiten, während unliebsame Entwicklungen aktuell noch durch Mitglieder verhindert werden können.

Ein weiterer besorgniserregender Aspekt ist der, dass wir als Fans und Mitglieder samt gewähltem Aufsichtsrat und Vorstand nur bis zu dem Punkt, an dem ein Investor in Bochum aufschlägt, die Möglichkeit haben, den Verein VfL Bochum ALLEIN zu repräsentieren. In dem Moment, in dem ein Investor einsteigt, auf dessen Gestaltung seiner Präsenz beim VfL die Mitglieder keinen Einfluss haben, ist es möglich, dass der Verein aufgrund einer einzelnen Person blamiert und zur Bühne persönlicher Eitelkeiten wird (Ismaik, Kühne). Blickt man über den eigenen Tellerrand hinaus, so findet man auch im Ausland diverse abschreckende Beispiele.

→ Die Öffnung für eitle Investoren hat in anderen Vereinen schon zu vielen Fremdschämsituationen geführt (Ismaik, Kühne).

Viele der Sorgen, die die zukünftige Partizipation von Mitgliedern, das zukünftige Wesen des VfL Bochum und die Art des Investors betreffen, könnten sicherlich aktuell vom Vorstand ausgeräumt werden. Es ist jedoch so, dass wir die Ausgliederung als den falschen Schritt ansehen, wenn derart viele sensible Bereiche von der Person des Vorstands und ihren Entscheidungen abhängig sind. Mag man Wilken Engelbracht zugestehen, bei der Auswahl eines Investors vermutlich mit Augenmaß vorzugehen und ihm hinsichtlich diverser Versprechungen über die Ausgestaltung einzelner Aspekte der Ausgliederung vertrauen, ist es doch so, dass das Fußballgeschäft extrem schnelllebig ist. Wie im letzten Herbst zu beobachten war, kann es von heute auf morgen passieren, dass leitende Angestellte das Interesse anderer Vereine auf sich ziehen und den VfL verlassen wollen. Schnell könnte ein anderer Vorstand die Dinge ganz anders sehen und betreiben und diverse Versprechungen, die im Rahmen der Ausgliederung getroffen wurden, wären hinfällig, da man sich bei dem Ausgliederungsprozedere sicherlich nicht durch schriftliches Fixieren innerhalb einer neuen Satzung gegen alle Gefahren schützen könnte und auch auf mündliche Versprechen angewiesen wäre. Darüber hinaus ist es ohnehin so, dass ein Verkauf von Anteilen unabhängig vom Vorstand eine gewisse Eigendynamik annehmen kann. Denn die Anteile an der Kapitalgesellschaft des VfL Bochum wären wohl nur schwerlich an den Mann zu bringen, wenn man diesem in der Folge vorschreiben wollen würde, an wen er sie denn irgendwann veräußern darf.

→ Sowohl die Abhängigkeit von der Person des Vorstands bei vielen Prozessen im Rahmen der Ausgliederung (z.B. Auswahl des Investors) als auch die Eigendynamik, die entsteht, weil Anteile weiterverkauft werden dürfen, verstärken die Bedenken gegenüber zukünftigen Entwicklungen innerhalb des Vereins.

Fazit der Argumentation von „echt VfL“

Aus den dargelegten finanziellen und emotionalen Gründen lehnen wird eine Ausgliederung der Profiabteilung entschieden ab und betrachten sie auch keineswegs als alternativlos. Dies ist einerseits darin begründet, dass wir in der Realität erfolgreiche Beispiele von Fußballvereinen vorfinden, die als e.V. organisiert sind, wie z.B. Schalke 04, Union Berlin, Mainz 05 oder auch der FC St. Pauli. Andererseits darin, dass wir auch selbst Möglichkeiten für den VfL Bochum sehen, es diesen Vereinen weiterhin gleich zu tun. Ein Bekenntnis zum eingetragenen Verein ist für uns auch kein Schritt, um vor dem Profifußball zu kapitulieren und wollen uns auch nicht so verstanden wissen, dass wir den Weg in die sportliche Bedeutungslosigkeit einfach so akzeptieren. Vielmehr glauben wir, dass es eine Alternative dazu gäbe, sich blind auf den Kapitalmarkt zu begeben und das grundsätzliche Wesen des Vereins zu gefährden. Die Entwicklungen im Profifußball zeigen, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass  dieser Schritt in unserem Verein nur ein Zwischenschritt wäre zu einer Zukunftsperspektive, die wir entschieden ablehnen. Wir wollen nicht in zehn Jahren feststellen müssen, dass wir damals gepennt haben als uns der Verein aus den Händen geglitten ist. Wir wollen den Tag niemals erleben, an dem wir jeden Einfluss als Mitglieder verloren haben und zu bloßen Konsumenten geworden sind, die sich ein bisschen an dem Wirtschaftsunternehmen und Spekulationsobjekt VfL Bochum Gmbh & Co. KGaA erfreuen.

Für den Zusammenschluss „echt VfL“ sind mit dem Schritt der Ausgliederung zu viele aktuelle und zukünftige Unabwägbarkeiten aber auch Fakten und definitive Bedrohungen verbunden, welche den VfL Bochum in der Form, wie wir ihn kennen, absolut gefährden könnten oder würden. Typische oben genannte Befürchtungen, die mit diesem Schritt verbunden sind, z.B. die Kontrolle über den Verein zu verlieren, oder dass der Verein sein Gesicht verändert, scheinen uns keineswegs unbegründet, wenn die Gewissheit, dass die 50+1 Regel fallen wird, jeden Tag größer wird und wir selbst trotz der 50+1 Regel fremdbestimmte Vereine in der Realität erkennen können. Dieser Entwicklung des langfristigen Partizipationsverlusts von Mitgliedern den Weg zu bereiten, sehen wir als absolut verheerend an, gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Gleichung Geld durch Investor = sportlicher Erfolg nicht in allen Fällen aufgeht, also das „Lockmittel“ nicht mal unter Garantie eintritt (HSV, 1860).

Kurzum: Wir wollen, dass bei der kommenden JHV verhindert wird, dass der VfL Bochum 1848 e.V. seine Seele verliert und sich in ein plumpes Wirtschaftsunternehmen verwandelt, das Spekulanten offen steht, aber die Mitgliederrechte nach und nach schwächen wird! Wir wollen, dass sich der VfL Bochum ausgehend von der zu erhoffenden Ablehnung dieses Schritts durch die Mitgliedsversammlung innerhalb der neuen Wettbewerbsbedingungen neu erfindet und hierbei Mut und Innovationsgeist zeigt und aufhört durch Kopieren der Größeren seine Wettbewerbsposition zu zementieren.

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Zukunft als e.V. ?

Im Zuge der Diskussion um die geplante Ausgliederung mag sich manch einer natürlich zurecht die Frage nach Alternativen stellen. Und ja, diese gibt es. So alternativlos, wie der Vorstand den massiven und nicht zu revidierenden Schritt darstellt, ist er bei weitem nicht. Vielmehr würde er aus unserer Sicht die unkreativste Form darstellen,  auf bestimmte Umstände des Profifußballs und auch auf eventuelle eigene Versäumnisse zu reagieren.

Sicherlich stellt die zukünftige Verteilung der Fernsehgelder ein Problem für Vereine wie den VfL dar, alleine mit diesem Problem sind wir allerdings nicht. Und auch eine einmalige Finanzspritze durch ein angestrebtes Investment verschafft uns allemal sehr kurzfristig einen Sprung auf Augenhöhe mit den jeweils „großen“ der Liga 2, wahrscheinlich aber nicht einmal das. Der Preis dafür ist ungleich höher.

Gehen also in Bochum die Lichter aus, wenn die Ausgliederung nicht passiert? Versinkt der VfL in der Bedeutungslosigkeit?  Ersteres sicher nicht. Denn auch für einen Verein wie den VfL fließen weiter TV-Gelder, Sponsoring-, Merchandise- und Zuschauereinnahmen, so dass unter einem fähigen Management und mit der vorhandenen Infrastruktur problemlos Profifußball in Bochum gespielt werden kann.

Letzteres ist eine Frage der Definition und der eigenen Einstellung. Wer alles unterhalb der ersten Liga als bedeutungslos ansieht, mag Recht haben. In vielen Bochumer Köpfen ist der VfL weiterhin gefühlter Erstligist mit einem Anspruch auf die möglichst schnelle Wiederkehr. Doch auch wenn es schmerzt und manch eine tolle Erinnerung an die gute alte Zeit in Liga 1 präsent ist, muss man sich vergegenwärtigen, dass diese Zeiten vorbei sind. Die Frage ist nur, ob das tatsächlich so verkehrt ist. Denn die Bundesliga, in der der VfL lange unabsteigbar war, immer mal wieder einen auf dem Papier übermächtigen Gegner ärgern konnte und durch zwei Einzüge in den UEFA-Cup für Furore sorgte, gibt es in dieser Form nicht mehr. Es fällt vor allem die aktuelle Zusammensetzung des Oberhauses ins Auge. Sicherlich wäre das ein oder andere Derby oder ein Spiel gegen die Bayern nett, aber der Rest? Schon jetzt fällt manch einem Funktionär, Trainer oder Spieler auf, dass Knallerspiele wie Hoffenheim gegen Wolfsburg oder Ingolstadt gegen Leipzig niemanden hinter dem Ofen hervorlocken und dass der Liga allgemein die Spannung fehlt.

Kommt man zurück auf die befürchtete Bedeutungslosigkeit kann also die Erkenntnis entstehen, dass diese viel eher in Liga 1 als Spielball der Großkonzerne bestünde, als sie es momentan in Liga 2 tut. Somit hilft vielleicht – auch wenn es Überwindung kosten mag – eine Neuordnung der Ansprüche im Bochumer Fan-Hirn. Ja, Clubs wie Leipzig, Hoffenheim oder Ingolstadt haben uns überholt. Aber möchte man wie die sein? Sind wir nicht in Gesellschaft von St. Pauli, Dresden, Union, Düsseldorf, Karlsruhe & Co. schon ganz nett aufgehoben?

Wie könnte es also als e.V. weitergehen? Im Grunde nicht großartig anders als jetzt, nur mit etwas mehr Innovationsgeist, Einfallsreichtum, Mut und einem Eingeständnis zu dem, was der VfL war und ist. Genau dort müssen die Verantwortlichen ansetzen, und genau daran sollte man sie vor dem Hintergrund des Leitbildes des VfL auch messen.

Der VfL wird nie über den Status des kleinen gallischen Dorfes hinauskommen, das ist aber auch gut so. Dieser Status hat den Verein und seine Fans seit Jahrzehnten geprägt. Mit geschickter Selbstvermarktung ist der Schritt in die coole, sympathische kleine Nische deutlich leichter als der mit aller Gewalt erzwungene Sprung nach oben, wohlgemerkt ohne Garantie auf Erfolg und mit nicht einzuschätzenden Folgeschäden.

Warum keine offensive Vermarktung als einer der letzten e.V.´s im deutschen Profifußball? Aufmerksamkeit und Sympathien vieler von ihren GmbHs, AGs und KgaAs frustrierten Fußballinteressierten wären dem VfL sicher. Warum nicht mal gegen den Strom? Nicht wie alle anderen? Warum nicht entspannt zurücklehnen und die Allüren der Ismaiks, Kinds und Kühnes aus der Ferne belächeln?  Warum nicht vielleicht in ein paar Jahren zu den erfolgreichsten e.V.´s in Deutschland gehören, vielleicht sogar der erfolgreichste sein?

Natürlich erfordert das viel Arbeit und vor allem Geschick und Fingerspitzengefühl der Verantwortlichen. Es erfordert das Suchen, Finden und Halten geeigneter langfristiger Partner mit lokalem Hintergrund, die sich aus Verbundenheit zum VfL einbringen, nicht aus Gründen von Prestige oder der Aussicht auf spekulativen Geldzuwachs. Auch überregionale Partner könnte der VfL für sich gewinnen, indem er sich wie oben angesprochen, offensiver vermarktet und eher in einer Nischenposition Aufsehen erregt als unter vielen gleichen unterzugehen. Es erfordert auch gute Jugendarbeit und intelligentes Scouting, die Suche nach Spielern, die nicht für jeden Geldschein mehr nach Leipzig oder Wolfsburg wechseln. Es erfordert ein aktives und offensives Vermarkten dieser Wege und dieses Zieles und somit einen offenen Umgang, Dialog und auch Mitgestaltung von und mit Fans und Mitgliedern.  Und genau das wird für mehr Verständnis, Rückendeckung und Glaubwürdigkeit sorgen, als jede Million eines Investors.

Dieser Weg ist im Grunde kein neuer. Ganz im Gegenteil. Im Prinzip beschreibt er exakt das Vorgehen eines vernünftig handelnden Clubs vor seinem regionalen Hintergrund und der Verantwortung für seine Stadt und seine Fans. Denn wie schon ein gewisser Herbert G. wusste: „Hier wo das Herz noch zählt, nicht das große Geld…“

 

 

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